Wohltuende Behandlung aus dem Mittelalter – Schröpfen erlebt heute wieder eine Renaissance.
Jemanden Schröpfen – verbindet man heute, dass jemandem viel Geld aus der Tasche gezogen wird. Verantwortlich für diese negative Besetzung sind vermutlich die mittelalterlichen Bäder: Den Ärzten des kleinen Mannes galten Aderlass und blutiges Schröpfen, bei dem die Haut leicht angeritzt wird, als Allheilmittel — den Patienten kosteten sie jedoch meist nur Kraft und Geld. Vielleicht sind deshalb sowohl das blutige als auch das trockene Schröpfen aus unserem Kulturkreis nahezu verschwunden. In China hingegen gehören Schröpfgläser zum festen Bestandteil der Hausapotheke und die Lehre von der wohltuenden, heilenden Wirkung des Schröpfens wird von Generation zu Generation weitergegeben.
“Es ist eine weit verbreitete, sehr alte Kunst, die sich seit der Antike kaum verändert hat”, berichtet die Praktische Ärztin Velia Wortman aus Nürnberg. “Je nach Epoche und Kulturkreis bestanden die Schröpfköpfe in früheren Zeiten aus Ton, Bronze oder Bambus, heute sind sie meist aus Glas oder Kunststoff.”
Gut durchblutet
In unseren Breiten erfreut sich vor allem die Schröpfmassage als Entspannungsmethode zunehmender Beliebtheit. “Dafür wird die Haut zunächst mit pflegendem Öl eingerieben. Dann setzt der Masseur die Schröpfgläser auf und zieht sie für zehn bis zwanzig Minuten langsam hin und her. Damit sie gut gleiten, haben Massageschröpfgläser einen besonders breiten Rand”, erklärt Wortman. Für den Massageeffekt wird ein Unterdruck in den Gläsern erzeugt: “Entweder ganz klassisch, indem man die Schröpfköpfe vor dem Aufsetzen kurz über einer Flamme erwärmt, aber auch mithilfe von Gläsern, die einen Gummiball zum Pumpen besitzen, oder modernen Vakuumpumpen”, erklärt die Expertin für Chinesische Medizin.
Durch den Unterdruck wird die Haut vom Glas angesaugt und wölbt sich, je nach Druck unterschiedlich stark, in die Glocke hinein. “Dadurch wird die Haut besonders gut durchblutet, der Effekt hält oft mehrere Stunden an. Damit lösen sich selbst tiefsitzende Verspannungen”, erläutert Wortman. “Außerdem fühlt es sich sehr angenehm an. Die entspannende Wirkung lindert beispielsweise Spannungskopfschmerz.” Immer häufiger bieten auch Kosmetikstudios die intensiven Massagen an: Sie sollen unter anderem der ungeliebten Orangenhaut zu Leibe rücken, indem sie den Stoffwechsel anregen und die Auflösung von Wasser- und Fetteinlagerungen unterstützen. Auch Falten sollen sich mithilfe spezieller Mini-Saugglocken verringern lassen.
“Zwar sind weder der medizinische noch der kosmetische Nutzen durch wissenschaftliche Studien belegt. Doch in China gehört das Schröpfen selbst in Krankenhäusern zur Standardtherapie”, weiß Wortman. Von Selbstversuchen rät sie allerdings ab: Schröpfen will gelernt sein, bei falscher Anwendung kann ein zu heißes Glas Verbrennungen verursachen oder eine zu lange Behandlung Kreislaufprobleme hervorrufen.